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24.05.2012
Kommentar: Persönliche Meinung zum OSV-Urteil von Andre Matz

Unser ehemaliger hafo-Redakteur und heutiger Hamburger Abendblatt-Redakteur Mirko Schneider wohnte dem Urteil zum Protest OSV-AFC bei und ließ uns folgende Zeilen zukommen. Er möchte damit eine Diskussion anregen.

Ergänzend sei noch gesagt, dass es sich hier um eine persönliche Stellungnahme von Mirko Schneider handelt. Die hafo-Redaktion kann durchaus anderer Meinung sein.




Von Mirko Schneider

Doch nicht so!...eine Betrachtung zum wahrscheinlichen Abstieg des Oststeinbeker SV aus der Oberliga Hamburg

Benjamin Scherner hat Größe bewiesen. Nach dem 2:3 beim USC Paloma vor sechs Tagen zeigte sich der Trainer des SC Vier- und Marschlande als fairer Verlierer. 90 Sekunden trennten den SCVM bei einer 2:1-Führung vom sicheren Klassenerhalt, da traf der USC zweimal. Auf eine Nachspielzeit verzichtete der sonst gute Schiedsrichter Patrick Schult (SC Osterbek) unverständlicherweise. Das stieß auf Kritik im SCVM-Lager – aber nicht bei Scherner. „Klar hätte man noch zwei Minuten spielen lassen können. Aber von uns wäre nichts mehr gekommen. Das 2:3 war der Genickbruch“, sagte der Coach. Der letzte Strohhalm „Schiedsrichterschelte“ war ihm zu billig. Eine kleine, faire und sportliche Geste des 26-Jährigen.

Die Frage, wie wohl Oststeinbeks Trainer Stefan Kohfahl an Scherners Stelle die fehlende Nachspielzeit kommentiert hätte, ist natürlich hypothetisch. Toni Schumacher gefiel der Ausspruch eines seiner Trainer, er stehe „so unter Strom, als würde er mit den Zehen in der Steckdose schlafen“. In manchen Phasen wirkt der OSV-Trainer, als sei es bei ihm ebenso. Sowohl am Spielfeldrand als auch einige Zeit nach Spielschluss kann der fußballverrückte 43-Jährige sehr aufbrausend sein. Ungerecht behandelt fühlt er sich öfter mal, vor allem von den Schiedsrichtern. Er schießt dann gerne übers Ziel hinaus und kontert Einwände von Interviewern so strikt, als könne nur einer im Recht sein: er selbst. Das Trainer-Original, mit dem man sich übrigens vorzüglich stundenlang über Fußball sowie Gott und die Welt unterhalten kann, wirkt in solchen Momenten wie eine Meesen-Version der bekannten bajuwarischen „Abteilung-Attacke“ von der Säbener Straße.

Einer wie er polarisiert automatisch. Genauso wie sein Verein. Das Image des Oststeinbeker SV in der Hamburger Amateurfußballszene ist mit „ausbaufähig“ noch stark untertrieben beschrieben. Schiedsrichter war nicht neutral, veränderte Anstoßzeit zu spät erfahren, Gegner sagte Spiel unberechtigt ab – der OSV hat sich den Ruf erworben, Protest einzulegen, wo es nur irgend geht. Manchmal lag er damit sogar richtig, wie zum Beispiel am 28. August 2010, als der Meiendorfer SV tatsächlich kein Recht hatte, die anstehende Oberliga-Partie an der Meiendorfer Straße trotz einer Ausweichmöglichkeit am Deepenhorn ausfallen zu lassen und die Punkte kampflos an den OSV verlor. Manchmal jedoch, wie im Fall der Pokalniederlage in Schwarzenbek (6:7 nach Elfmeterschießen) nur drei Wochen zuvor, war das Vorgehen des Vereins so fragwürdig, dass selbst aus dem eigenen Verein Kritik kam. OSV-Mittelfeldmotor Michael Weiß gab damals sogar öffentlich zu, der Klub hätte den Protest besser unterlassen, sei ein schlechter Verlierer gewesen.

Die große Ironie an der Geschichte ist für viele Beobachter der Szene, dass ausgerechnet dieser umstrittene Klub, der auf den Plätzen gerne als „Einspruchspor“ oder „Ostprotestbek“ geschmäht wird, nun mit allergrößter Wahrscheinlichkeit wegen eines Protests gegen sich absteigen wird. Aus dem 3:0 gegen Altona wurde gestern am grünen Tisch endgültig ein 0:3. Fünf Tore und drei Punkte muss der OSV somit auf den SCVM am letzten Spieltag gutmachen, also beispielsweise 3:0 in Buchholz gewinnen, während die Vierländer daheim 0:2 gegen Schnelsen verlieren. Wunder gibt es zwar immer wieder, aber nicht an jeder Straßenecke. Der OSV wird wohl in die Landesliga Hansa gehen müssen. Das wird, neben der Erleichterung bei den geretteten Teams, für einige Schadenfreude sorgen.

Jenseits einer ohnehin kritikwürdigen Moral nach dem Motto „Endlich hat es mal die Richtigen getroffen“ sollte das, was am Dienstag und Mittwoch vor Sport- und Verbandsgericht des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) ablief, allerdings nüchtern und sehr kritisch betrachtet werden – inklusive der Vorgeschichte des Protests. Ob Altona 93, in der Rückrundentabelle ohne die drei Zähler vom Meesen schwacher Dreizehnter, gegen das 0:3 beim OSV am 4. Mai wirklich Protest einlegen musste, kann man ewig und drei Tage diskutieren. Für die einen ist ein solcher Eingriff in den Abstiegskampf, noch dazu von einem Team, welches in der Rückrunde nicht selten kickte, als sei es nicht mal an der Goldenen Ananas interessiert, skandalös. Denn was hat der AFC davon, auf diese Weise die verdiente Niederlage in Oststeinbek zu kaschieren? Dagegen steht die Solidarität mit den Vereinen, die unter eventuell illegal erkämpften Zählern des OSV zu leiden und mit einem Abstieg zu zahlen hätten. Dass dieser Altonaer Solidarität mit einigen Hinweisen aus gut informierten Kreisen nachgeholfen wurde ist ein Verdacht, der im Raum steht, letztlich aber nicht beweisbar ist. Unbestritten ist dafür, dass das HFV-Sportgericht am 11.5. innerhalb von nur wenigen Stunden dem Altonaer Einspruch stattgab und das Spiel umwertete. Seyhmus Atug sei im fraglichen Spiel gesperrt gewesen, die Faktenlage somit klar, die Entscheidung folgerichtig.

Oststeinbek beantragte eine mündliche Verhandlung und zog vors Sportgericht. Der Verein konnte dort glaubhaft darlegen, dass die Entscheidung des Sportgerichts fehlerhaft und in sich widersprüchlich war. Zunächst ist in dem Schreiben, dass dem OSV am 27.4. zugestellt wurde, von einem Feldverweis „wegen einer Unsportlichkeit“ für den Spieler Seyhmus Atug im Spiel bei Condor die Rede. Atug wurde jedoch mit Gelb-Rot wegen Foulspiel des Feldes verwiesen. Im Schreiben heißt es jedoch weiter: „Es wurde beschlossen, den Spieler über die automatische Sperre hinaus für 2 Pflichtspiele der 1. Liga-Mannschaft zu sperren.“ Eine automatische Sperre bei Gelb-Roten Karten gibt es in der Oberliga allerdings gar nicht, da sie überhaupt nicht zu einer Sperre führen.

Viel entscheidender war jedoch, dass Atug für die Zeit vom 4.5. – 17.5. aufgrund eines Schiedsrichter-Sonderberichtes gesperrt wurde. Allerdings wurde der Verein sachgemäß belehrt, dass er sich gegen die am 4.5. startende Sperre wehren könne: „Soweit Sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sportgericht einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Als Tag der Bekanntgabe gilt der Eingang im elektronischen Postfach. Bei der Fristberechnung wird der Tag der Bekanntgabe nicht mit einbezogen.“

Und jetzt rechnen wir mal nach: Oststeinbek erhielt das Schreiben des HFV-Sportgerichts am 27.4. Dieser Tag zählt in der Einspruchsfrist nicht mit. Volle sieben Tage mit Beginn des 28.4. konnte der OSV also Einspruch einlegen, ergo ergab sich diese Möglichkeit bis zum 4.5. um 23:59 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war der 3:0-Sieg gegen Altona bereits in Sack und Tüten. Das Spiel wurde am 4. Mai um 20.45 Uhr abgepfiffen. Ein Einspruch hätte aufschiebende Wirkung gehabt, wie auch das Schreiben des Sportgerichts bestätigt: „Wird der vorgenannte Antrag gestellt, so ist die festgelegte Sperre gemäß § 14 Abs. 6 RuVO (Anmerkung: Rechts – und Verfahrensordnung) nach Ablauf der automatischen Sperre bis zur mündlichen Verhandlung ausgesetzt. Die Sperre kann jedoch bei Vorliegen besonderer Gründe durch einstweilige Verfügung aufrecht erhalten werden.“

Der Ursprungsfehler lag also beim HFV-Sportgericht. Die Sperre für Atug hätte erst am 5.5. beginnen dürfen. Denn bis zum 4.5. um 23.59 Uhr konnte Oststeinbek ja noch eine mündliche Verhandlung beantragen, was aufschiebende Wirkung gehabt hätte. Die Terminierung im Schreiben des HFV-Sportgerichts, die den Beginn der Sperre am 4.5. vorsieht, ist somit falsch. Und da der Verband nicht wissen konnte, ob Oststeinbek nicht doch noch Protest einlegt, hätte er die Sperre nicht vorher wirksam werden lassen dürfen. Schließlich legt der Verband großen Wert darauf, dass die Vereine die ihnen gesetzten Fristen beachten. Da wird seine Sportgerichtsbarkeit sich doch auch an die seinigen halten. So, allerdings juristisch geschliffener, argumentierte Oststeinbek vor dem HFV-Sportgericht.

Der Verein räumte dabei den Fehler ein, sein Postfach nicht eingesehen zu haben. Aber er verwies auf die Kette von „ineinandergreifenden Fehlern“ (Rechtsanwalt Holger Rochow), die ihren Ausgangspunkt beim Sportgericht nahmen. Zudem ließ sich so logisch erklären, warum vor dem Spiel gegen Altona im elektronischen Spielbericht kein Sperrvermerk für Atug zu finden war. Die Einspruchsfrist lief ja noch.

Das Sportgericht ließ sich davon nicht beeindrucken. In seiner Begründung der Abweisung der Klage taucht die falsche Berechnung des Beginns der Sperre gar nicht selbstkritisch auf. Der Verein sei über den 4. Mai in Kenntnis gesetzt worden, eine Veröffentlichung auf der Homepage hätte ebenfalls am Nachmittag vor dem Spiel stattgefunden. Und der Spielbericht-Online stelle lediglich „einen unverbindlichen Hinweis für die Vereine dar“.

Runde zwei am Mittwoch, vor dem HFV-Verbandsgericht, lief zunächst nicht viel besser. Richter Thomas Zeißing stellte schnell sein Verständnis für die Rechtsposition des Sportgerichts klar. Allerdings beschäftigte er sich tiefergehender mit der Frage der Verantwortlichkeit der Sportgerichtsbarkeit. Er gab sogar zu, dass höchstwahrscheinlich in dem Schreiben eigentlich der 5.5. als Beginn der Sperre hätte stehen sollen. Allerdings sei das Urteil des HFV-Sportgerichts „bereits rechtskräftig, und über ein rechtskräftiges Urteil haben wir keine Entscheidungsmacht mehr“. Außerdem hätte Oststeinbek den Fehler des Verbandes ja tilgen können – wenn der Klub rechtzeitig in sein Postfach geschaut hätte. Und es gebe keinen Paragraphen, der die aufschiebende Wirkung der Frist auch dann gelten lässt, wenn der Antrag nicht gestellt wird.

Daraus folgt im Klartext: Der 4.5. war zwar das falsche Datum für den Beginn von Atugs Sperre, da die Einspruchsfrist für Oststeinbek noch gar nicht verstrichen war. Das ist aber im Nachhinein juristisch wertlos, da der Verein die Frist nicht genutzt hat. Denn es steht nirgendwo, dass ein Spieler nicht gesperrt werden kann, während eine Einspruchsfrist noch läuft. Wird die Frist nicht genutzt, ist auch die frühere Terminierung rechtlich okay. Somit war der Spieler gesperrt und die Punkte sind weg. Das nennt sich dann „rückwirkende Betrachtung“.

Als ein Verantwortlicher von Oststeinbek mit Tränen in den Augen und zitternder Stimme erklärte, das sei ungerecht, zeigte das Verbandsgericht zwar Verständnis, zog sich aber auf geltende „Rechtsgrundsätze“ zurück. „Vom Bauchgefühl bin ich total bei Ihnen. Das ist scheiße, wie das alles gelaufen ist. Aber uns schlagen die Paragraphen“, sagte einer der Beisitzer.

Wirklich? Es hätte einen anderen Ausweg gegeben, Verbandsrichter Zeißing deutete ihn während der Verhandlung auch an: nämlich ein Wiederholungsspiel. Es wäre juristisch möglich gewesen, dass sich die Sportgerichtsbarkeit dazu bekennt, einige Fehler gemacht zu haben. Es wäre auch ein Zeichen an die Vereine gewesen, eigene Fehler nicht einfach unter den Tisch zu kehren. So jedoch bleibt ein Beigeschmack, der mit dem Wort „fade“ noch äußerst wohlwollend umschrieben ist. Hängen bleibt das, was viele Vereinsvertreter unter der Hand seit langem bemängeln: Macht der Verband Fehler, hat das wenig Konsequenzen. Machen die Vereine welche, sind sie dran. Das stimmt in dieser verallgemeinernden Form natürlich nicht. Gerade die Hamburger Sportgerichtsbarkeit ist deutlich besser als ihr Ruf.

Dennoch wird der Abstiegskampf der Oberliga Hamburg de facto durch zwei Gerichtsurteile entschieden werden, die erkennbar mit der Lebenswirklichkeit, zum Beispiel mit dem guten alten Grundsatz von Treu und Glauben, zu ringen haben. Juristisch ist das alles legitim gewesen. Die Paragraphen gaben diese Urteile her. Aber: Sie gaben nicht nur diese Urteile her. Fehler sind menschlich. Sie passieren nun mal. Aber es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Konsequenzen dieser Fehler in diesem Fall in der Rechtsprechung nicht so einseitig nur zu Oststeinbeks Lasten spürbar wären.

Eine der vielen Stimmen zu diesem Gerichtskrimi kam gestern Abend vom an beiden Tagen anwesenden Amateurfußballfan Behrend Schulz. „Paloma, Rugenbergen und SC Vier- und Marschlande sind mir sympathischer. Ich wollte, dass Oststeinbek absteigt – aber doch nicht so!“, stammelte er enttäuscht. Jeder, der jetzt die Faust ballt, dass es den OSV so richtig derbe erwischt hat, sollte über diese Worte nachdenken.


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