09.08.2025 Pokal: Krass, krasser, Krasniqi! von Andreas Killat
Lotto-Pokal, 1. Runde
vs.
SV Curslack-Neuengamme – ETSV Hamburg 1:2 (0:1)
SV Curslack-Neuengamme: Muharemi – Beldzik (90.+2 Schalitz), Holz, Bombek, Pallasch (63. Prom) – Wilhelm – Johannsen, Schmidt, Winterfeld (77. Geffert) – Njie (90.+2 Indulto), Möller (63. Witte) ETSV Hamburg: Müller – Duah (90.+3 Düzgüner), Siemsen, Appe, Hertner, Lopes (77. Rauf) – Kömürcü, Monteiro (77. Heil) – Selutin, Krasniqi – Zimmermann (58. Wahl) Tore: 0:1 Selutin (22.), 1:1 Winterfeld (62., FE), 1:2 Krasniqi (90.+5) Gelb-Rot: Wahl (82., Meckern) Schiedsrichter: Marvin Vogt (SV Börnsen): Setzte mit einigen schnellen Gelben Karten gleich zu Beginn ein Zeichen. Hatte bei vielen 50:50-Szenen eher ein Herz für die Gastgeber. Der Elfmeter war zwar vertretbar, aber dann hätten die Gäste bei einer ganz ähnlichen Aktion eigentlich ebenfalls einen bekommen müssen. Beste Spieler: Johannsen, Wilhelm – Krasniqi, Selutin Zuschauer: 177 Zahlende (insgesamt dürften es allein aufgrund der gut besetzten Tribüne um die 270-300 Zuschauer gewesen sein)
Erst vor vier Tagen kassierten die Vierländer eine herbe 0:5-Klatsche im Punktspiel beim ETSV. „Da waren wir chancenlos, wirklich total chancenlos“, schwante Curslacks Sportlichem Berater Torsten Henke nichts gutes für das heutige Pokalspiel. Und Marvin Schalitz ergänzte: „Ich habe bis dahin noch nie eine Mannschaft so gut spielen gesehen“. Mit diesen Vorschusslorbeeren im Gepäck legten die „Eisenbahner“ auch heute sofort sehr temperamentvoll los und spielten die Curslacker in den ersten zehn Minuten nahezu schwindelig. Doch außer mehreren Eckbällen und einem Abseitstor kam zunächst nichts bei herum.
Stattdessen fast das 1:0 für die Hausherren, als Mike Beldzik eine schöne Flanke von rechts ins Zentrum bringt – und Ebrahima Njie aus sieben Metern nur Zentimeter links neben das Gehäuse köpft (13.). Dieser Weckruf war beim Favoriten angekommen. Erolind Krasniqi zieht mit einem starken Solo über links in die Box, Keeper Leon Muharemi irrt im Strafraum umher und Krasniqi muss nur noch ins leere Tor einschieben. Doch „Wirbelwind“ Marcio Johannsen kocht den ETSV-Akteur (hart an der Grenze zum Elfmeter) eiskalt ab und spitzelt ihm das Leder noch irgendwie vom einschussbereiten Fuß (16.). Verrückte Szene! Für Krasniqi nur Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen. Also geht es über links mit Tempo - am überforderten Beldzik vorbei - erneut in die Box. Diesmal mit viel Übersicht quergelegt zum durchgestarteten Nick Selutin – der mühelos im vollen Lauf zum 0:1 vollstreckt (22.). Hochverdient und überfällig. Allerdings verpasste es der Favorit, endgültig den Deckel draufzumachen. Die beiden besten Akteure auf dem Platz, Krasniqi und Selutin, trafen jeweils nur die Latte (28./42.). Chancenwucher am Gramkowweg!
Nach der Pause kam die „Eisenbahn“ etwas aus der Spur. Der ganz große Zug nach vorne war nicht mehr da. Da fühlten sich die „Blauen“ quasi eingeladen. Johannsen aus 16 Metern satt unter die Latte – aber Keeper Tom Müller mit einer heldenhaften Parade (60.). Die anschließende Ecke von Witalij Wilhelm will Hendrik Bombek am rechten Eck des Fünfmeterraums ins Tor befördern, wird aber von Ridel Monteiro zu Fall gebracht (61.). Elfmeter! Luca Winterfeld, bis dahin kaum zu sehen, übernimmt Verantwortung und nagelt das Leder zum 1:1-Ausgleich in den rechten Giebel (62.). Und hätte kurz danach Wilhelm aus 16 Metern etwas genauer gezielt (67.), wer weiß, ob die Rose-Elf dann nochmal zurückgekommen wäre.
Aber auch so war der ETSV heute Meister im Wegstecken von Nackenschlägen. Viele Chancen nicht genutzt (erste Halbzeit), zweimal Latte, Elfmeter gegen, aber nicht für sich bekommen….es hätte wahrlich besser laufen können. Und dann kamen die wilden vier Minuten von Morten Wahl. Erst verstolpert er – nach starker Flanke von Selutin - freistehend aus sechs Metern (78.), dann wird er von der anderen Seite von Krasniqi bedient und vergibt aus vier Metern erneut (80.). Das hätten eigentlich beides Tore sein müssen. Der Frust darüber mag groß gewesen sein – jedenfalls musste er 100 Sekunden später mit Gelb-Rot vom Platz (82.). Angeblich wegen Meckern bzw. unsportlichem Verhalten.
Doch in Unterzahl erwachte nochmal der Kampfgeist der Gäste. Curslack sah sich zwar schon im Elfmeterschießen (und wechselte in der Nachspielzeit entsprechend seine sicheren Schützen ein). Aber dann hatte Ex-Profi Ogechika Heil seinen großen Auftritt. Auf der linken Außenbahn war Heil – tief in der eigenen Hälfte - Richtung eigenes Tor unterwegs, machte urplötzlich eine Drehung und schlug das Leder mit links „blind“ nach vorne. Allerdings „blind“ im Sinne von blindes Verständnis. Denn Krasniqi setzte auf der linken Außenbahn zum Sprint an, stoppte 23 Metern vor dem Tor ab und zwirbelte den Ball aus dem linken Halbfeld mit einem sehenswerten Schlenzer an den rechten Innenpfosten zum 1:2 in die Maschen (90.+5). Krass, krasser, Krasniqi!
Hängende Köpfe bei den Hausherren, große Jubelszenen auf der anderen Seite. Beide Teams können mit der gezeigten Leistung sehr zufrieden sein (was auch die Zuschauer honorierten). Nach dem 0:5-Debakel vor vier Tagen (Henke: „Gefühlt war das eher ein 0:8“) zeigten sich die Vierländer mit Leidenschaft und Willen – und für den Favoriten, der in solchen Spielen meist ja nur verlieren kann, galt im Prinzip das gleiche. „Das sind die Siege, die am Ende richtig Spaß machen“, jubelte ETSV-Coach Jan-Philipp Rose, „nach solchen Widrigkeiten in Unterzahl noch zu gewinnen – das ist für den Kopf viel mehr wert, als ein 4:0, 5:0“.
Stimmen:
Jan-Philipp Rose (Trainer ETSV Hamburg): Trotz der sehr guten ersten Halbzeit habe ich meiner Mannschaft in der Kabine gesagt, dass das 1:0 ein ganz gefährliches Ergebnis ist. Nach dem Elfmeter zum 1:1 sind wir etwas aus dem Tritt gekommen. Aber meine Mannschaft hat heute ganz viel Moral gezeigt und sich von einigen harten Entscheidungen des Schiedsrichters nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das war ziemlich unglücklich, wir hätten meines Erachtens mindestens zwei Elfmeter bekommen müssen. Und die Gelb-Rote Karte war auch ziemlich komisch. Aber letztlich sind solche Siege am Ende die, die richtig Spaß machen. Mit 10 Mann gegen einen guten Gegner trotz der Umstände noch gewonnen. Da bin ich mehr als stolz. Dieser Sieg ist für die Moral und Mentalität viel mehr wert, als wenn es zur Halbzeit schon 3:0 gestanden hätte – was ja durchaus möglich war. Man heute gemerkt, dass wir eine Mannschaft haben, die unbedingt will.
Olaf Poschmann (Trainer SV Curslack-Neuengamme): Ich bin enttäuscht und stolz zugleich. Wenn man so nah dran ist, will man natürlich auch ins Elfmeterschießen. Das hätten wir uns heute verdient gehabt. Dann in der 95. Minute mit so einem Sonntagsschuss rauszufliegen…bitter! Maximale Enttäuschung! Aber zum anderen war das nach dem 0:5 am Dienstag heute eine richtig richtig gute Reaktion. Und das zählt am Ende. Natürlich sind wir heute und bestimmt auch morgen noch enttäuscht, aber aus diesem Spiel können wir viel Kraft ziehen. Diese Mentalität zeigt, zu was diese Jungs im Stande sind. Jetzt werden wir uns mit allem, was wir haben, auf HT16 vorbereiten.
Statistik: Gesamt-Pflichtspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers Curslack (seit 1945): 16 Spiele, 8 Siege, 4 Remis, 4 Niederlagen, 29:24 Tore
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